Freitag, 13.01,2017, 20 Uhr

Lesung aus dem Werk von Asli Erdogan und ein Bericht über eine Informationsreise nach Istanbul zum Thema "Die Situation von verfolgten Schriftstellern und Journalisten in der Türkei" von Bernhard "Felix" von Grünberg

Der Eintritt ist frei.

Aslı Erdogan, eine der wichtigsten türkischen Schriftstellerinnen der Gegenwart, wurde am 17. August 2016 verhaftet und wurde in der geschlossenen Haftanstalt Bakirkoy festgehalten. Am 29. Dezember begann der Prozess gegen sie. 
Am ersten Verhandlungstag des Prozesses hat das Gericht die Entlassung von Asli Erdogan und ihrer Übersetzerin Necmiye Alpay aus der Untersuchungshaft angeordnet. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu mitteilte, wurde für beide eine Ausreisesperre verhängt. Anfang Januar 2017 wird der Prozess fortgesetzt.

 Aslı Erdogan, deren Bücher in 17 Sprachen (darunter auch ins Deutsche) übersetzt sind, hat eine Reihe wichtiger Literaturpreise in der Türkei wie auch im Ausland gewonnen und wurde vor kurzem mit dem Tucholsky-Preis des  schwedischen PEN ausgezeichnet.

 Als Antimilitaristin hat Aslı Erdogan in ihren Romanen und Essays immer wieder Gewalt anhand der historischen, philosophischen und psychologischen Ausformungen poetisch analysiert, wobei sie der phallozentrischen Dimension eine besondere Bedeutung beimisst. Im Mittelpunkt ihrer Geschichten stehen stets verwundete Frauen. 

 Nach einer Ballettausbildung und einigen Jahren am Theater, hat Aslı Erdogan am CERN (European Organization for Nuclear Research) als Physikerin gearbeitet. In Brasilien, wo sie als Physikerin tätig war, begann sie zu schreiben und wandte sich schließlich von der Physik ab und der Literatur zu.

 Obwohl die Presse- und Strafgesetze des türkischen Rechtssystems dies in keiner Weise rechtfertigen, wurde sie verhaftet und mit lebenslanger Haft bedroht, weil sie angeblich „die Einheit und Integrität des Staates gestört“ habe und „Mitglied einer terroristischen Organisation” sei. Grundlage hierfür ist ihre eher symbolische Arbeit als redaktionelle Beraterin der kurdischen Zeitung “Ozgur Gundem” und vier Artikel, die sie in dieser Zeitung sowie in der Literaturzeitschrift „Karakarga“ veröffentlicht hat, obwohl diese keinerlei strafrechtlich relevanten Inhalt aufweisen.

 Trotz ihres schlechten Gesundheitszustands wurde Aslı Erdogan ohne Anklage rechtswidrig festgehalten. Die Eingaben ihres Rechtsanwalts wurden wiederholt abgewiesen.

Was Erdogan angetan wird, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und verstößt gegen die Meinungsfreiheit, die von den türkischen Gesetzen und den internationalen Konventionen, die von der Türkei ratifiziert worden sind, garantiert wird. 

Die Lesung und der Bericht werden im Rahmen einer Kampagne zur Information über die Gefangennahme von Asli Erdogan an verschiedenen Orten durchgeführt.


Aslı Erdoğan: Der wundersame Mandarin. Roman. Aus dem Türkischen von Recai Hallaç. Edition Galata 2008. 108 S. Kart. 12,50 €

Asli Erdogan: Die Stadt mit der roten Pelerine. Übersetzung: Angelika Gillitz-Acarund Angelika Hoch. Türkische Bibliothek im Unionsverlag 2016. 218 S. Kart. 20 €    

Rio de Janeiro: Stadt des Karnevals, Meisterin im Spiel der Täuschungsmanöver, der Zufälle und der Maskerade. Özgür, eine introvertierte junge türkische Akademikerin, kann sich von der ebenso faszinierenden wie bedrohlichen Stadt nicht lösen. Weit entfernt hat sich dabei die junge Frau von der traditionellen Frauenrolle, wie sie die türkische Gesellschaft vorsieht. Nicht wie eine Touristin führt Özgür den Leser durch die Labyrinthe dieser Metropole, sondern wie eine Migrantin, die das zunächst Fremde als Vertrautes und Eigenes akzeptiert.

Gleichzeitig ist die Stadt Impuls für ihr Schreiben und für die Schöpfung ihrer fiktiven Doppelgängerin Ö. – die beiden Erzählebenen, auf mannigfache Weise miteinander verflochten, spiegeln sich ineinander. Atemberaubend ist die nuancierte Feinzeichnung der Menschen, die in Liebe und Leid auf oftmals tödliche Weise miteinander verschmelzen.
"Wir folgen der Protagonistin durch ein Gestrüpp voller Mythen, Gefahren und Gewalten. Sie ist auf der Suche nach Leben, auf der Suche nach sich selbst. Sie hat flüchtige Liebschaften, sie will die Menschen verstehen, lernt die Sprache – doch sie bleibt immer die Fremde. Und sie verliert nach und nach den Boden unter den Füßen. Und über allem wirkt Rio, bleibt ständig gegenwärtig, röhrt und brüllt und lockt und reißt wie ein wildes Tier, ist nicht bloß Kulisse, sondern ganz real, es existiert. Ein verwickeltes und vielschichtiges Buch, aber bannend und aufwühlend bis zuletzt. Asli Erdogan ist ein Meisterstück gelungen." Stefan Berkholz, SWR 2, Forum Buch

"Was macht eine Türkin in Rio? Endlich ist sie frei – zugleich isoliert. Sie verfällt der Stadt und verfällt in ihr. Beeindruckend." Barbara Frischmuth, Die Presse, Wien